Freiraum zum Selbermachen? - Teil 2

19. November 2013 | von Barbara | Berlin
Neues

Das Beispiel Dingfabrik zeigt, wie Kommunen sinnvolle Hilfestellung jenseits finanzieller Mittel leisten können. Manchmal hilft jedoch auch kommunale Unterstützung nichts mehr. Für den kunterfunk e.V., der sich in den letzten 1 ½ Jahren um den Erhalt des Funkhaus Grünau kümmerte,  hatte sich zuletzt sogar das Kulturamt Treptow-Köpenick mit einem Empfehlungsschreiben eingesetzt. Vergebens. Schon in wenigen Wochen steht das Haus an der Dahme wieder leer, um weiter vor sich hinzurotten.

Seit 2008 befindet sich das Funkhaus im Besitz eines großen Hamburger Investors; Schritte zur Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudes unternahm er nach dem Kauf keine. Es verfiel zusehends – ein Zustand, der sich erst ändern sollte, als Anfang 2012 einige Vereine auf der Suche nach Räumen auf das Funkhaus aufmerksam wurden. Über das Katasteramt machten sie den Besitzer ausfindig. Der erste Kontakt verlief positiv, ein Vertrag kam zustande: Der kunterfunk e.V. war geboren und damit die wunderbare Idee, das Funkhaus, einen echten Zeitzeugen, der Nationalsozialismus und DDR-Regime überstanden hatte, wieder zum Leben zu erwecken. Die Absprache mit der vom Vermieter beauftragten Verwaltungsfirma sah eine mietfreie Nutzung vor, solange der kunterfunk am Haus vorgenommene Arbeiten mit den zuständigen Ämtern abstimmt und alleine verantwortet und finanziert .

Ab April 2012 hielten dann gut zehn Initiativen Einzug, mit Schwerpunkt auf umweltpolitischen Aktivitäten, Re- und Upcycling. Das alte Aufnahmestudio wurde in Betrieb genommen, Holz- und Metallwerkstätten eingerichtet. Die Bootschaft e.V. legte mit ihrem Floß Wackelberry am Steg vor dem Funkhaus an und veranstaltete dort Kino- und Kulturabende.

Neben den eigentlichen Vereinstätigkeiten holten die ProjektemacherInnen das imposante Backsteinhaus an der ehemaligen Regattastrecke Stück für Stück aus seinem Dornröschenschlaf. Nahmen Kontakt zum Bau- und Denkmalamt auf und begannen mit dem Renovieren. Als unbezahlte Hausmeister verlegten sie Strom- und Wasserleitungen und erneuerten die Regenrinnen. Ersetzten unzählige defekte Fenster und entfernten wuchernde Pflanzen. Pumpten den Keller aus, immer wieder, weil bei jedem neuen Unwetter durch undichte Stellen Wasser ins Gebäude eindringt.

Im Sommer 2012 startete die erste Schrottregatta und damit ein Herzstück der Aktivitäten des kunterfunk: Alle Anlieger an der Regattastrecke müssen sich in irgendeiner Form dem Bootssport widmen – diese Auflage hat der Verein mit den eigenen Ideen rund um Re- und Upcycling zusammengeführt. Daraus entstand eine Bootswettfahrt,  bei der alte, gebrauchte Gegenstände das Schwimmen lernen und als abenteuerliche Wasserfahrzeuge die Dahme erobern.

Mit Aktionen wie der Schrottregatta konnte der kunterfunk viele Grünauer auf die Wiederbelebung des Funkhauses aufmerksam machen und für die Vereinsaktivitäten interessieren. Leider nicht die direkt anliegenden Nachbarn – einem Rentnerpaar, das dort ein Mietsgebäude unterhält (mit eigens eingerichtetem Ruderverein, denn ohne darf man an der Dahme ja nicht wohnen), waren die Vereinsaktivitäten ein Dorn im Auge.

Mehrfach machten die Nachbarn bei dem Besitzer Stimmung gegen die AktivistInnen vom Funkhaus – zuletzt erfolgreich: Im Sommer 2013 hatte der kunterfunk um die Aufhebung  und Umschreibung des bestehenden Mietvertrages gebeten. Bis zu diesem Zeitpunkt waren drei Privatpersonen als alleinige Mietvertragspartner haftbar für alles, was im Haus geschieht. Um die drei von dieser Verantwortung zu entlasten, wollte der Verein das Gebäude mieten. Diesen Umstand nahm der Besitzer zum Anlass, das Mietverhältnis zu beenden – allerdings, ohne dies frühzeitig zu kommunizieren. Es folgten Monate des Wartens, in denen alle Anfragen unbeantwortet blieben. Keine Reaktion, auch nicht auf ein aufwendig gestaltetes Buch, mit dem der kunterfunk dem Besitzer die Vereinsaktivitäten zeigen wollte. Die Verwaltungsgesellschaft war wohl konkret angewiesen worden, nicht auf die Nachfragen einzugehen – im Nachhinein hat es den Anschein, dass man auf diesem Weg Solidaritätsaktionen oder schlechte Presse gezielt unterdrücken wollte.

Nun ist es also aus mit dem Funkhaus – Ende November verlassen die letzten Initiativen das Gebäude. Und mit diesem Schicksal steht der kunterfunk leider nicht alleine da – weitere Werkstätten des Verbundes haben mit einer prekären Raumsituation zu kämpfen. Auch die Dresdner WerkStadtpiraten sind von Räumung bedroht, seit dem Freiraum Elbtal e.V. zum Juni 2013 gekündigt wurde. Denn auf dem Gelände an der Elbe soll der sogenannte Marina Garden entstehen, ein Bebauungskonzept, das unter das Programm „Neustädter Hafen“ fällt. Dieses Programm bewirbt die Stadt Dresden auf Ihrer Webseite als Dresdens „neue Adresse“ und verspricht vollmundig „Wohnen am Wasser“ – für die, die es sich leisten können. Dass daraus ganz schnell ein Wohnen im Wasser werden kann, wie die diesjährige Flut gezeigt hat, könnte dem Bauprojekt ohnehin den Garaus machen. Trotzdem: Die störenden Initiativen sollen jetzt erst mal weg – die DresdenBau und Projektierungs GmbH hat sich das Vorkaufsrecht für das Gelände gesichert und eine Räumungsklage gegen den Freiraum Elbtal und die angeschlossenen Vereine initiiert. Doch auch wenn man es bei der DresdenBau anders sieht: Ob die „Premium-Wohnungen“ des Marina Garden überhaupt jemals am Ufer der Elbe stehen werden, ist derzeit noch fraglich. Gewiss ist aber wohl inzwischen, dass auch in Dresden kulturelles Engagement zugunsten von Investoreninteressen weichen muss.

Teil 1