Zwischenbericht Verstehbahnhof

11. Juli 2019 | von Daniel | Fürstenberg
explore

1 Hintergrund

Im Bahnhofsgebäude der Stadt Fürstenberg/Havel wird seit November 2017 ein offener Lernort eingerichtet der sich primär an junge Menschen richtet und dessen Fokus auf digitalen Technologien in Verbindung mit klassischem Handwerk liegt. Im Herbst 2018 wurden weitere Räumlichkeiten im Bahnhof angemietet die seitdem renoviert bzw saniert und anschliessend eingerichtet und mit Leben gefüllt wurden und werden. Der Ausbau der dazugehörigen Werkstatt wird massgeblich unterstützt im Rahmen des explore-Wettbewerbs. Der Verstehbahnhof ist ausgestattet für Gruppen bis zu Klassengröße. Neben Workshops, Projekttagen und -wochen sind auch Fortbildungen für Lehrkräfte und themenspezifische Veranstaltungen für die Öffentlichkeit im Programm.

2 Aktueller Stand des Projekts

Mit der Übernahme der neuen Räumlichkeiten und der finanziellen Unterstützung erfolgte im Winter 2018 der Startschuss für die Sanierungs- und Renovierungsarbeiten im Bahnhofsgebäude. Die Arbeiten ließen sich grob gesagt in fünf Abschnitte teilen:

  • Ausbau des ehemaligen Gastraums als dedizierte Werkstatt sowie des Eingangsbereichs als Lager
  • Ausbau des ehemaligen Spielautomatenraums als städtisches Wohnzimmer
  • Ausbau der Gaststättenküche zu einer zeitgemäßen und genehmigungsfähigen Küche
  • Untervermietung von zwei Räumen an Betreiber eines Cafes und (gemeinsamer) Ausbau dieser Räumlichkeiten
  • Umgestaltung der ehemaligen Wartehalle von Mischbetrieb aus Veranstaltung, Werkstatt, Aufenthalt in einen reinen Veranstaltungsraum

Die Räumlichkeiten abseits der Werkstatt sind nicht direkt Teil der Förderung im Rahmen von explore, werden aber der Vollständigkeit halber erwähnt.

2.1 Werkstatt

Der Ausbau der Werkstatt erfolgte als dringendste Aufgabe. Hier mussten ein Putz sowie eine Holzverkleidung von den Wänden sowie Tapete von der Decke entfernt werden. Anschließend erfolgte eine grundlegende Erneuerung der Elektrik und grosse Teile der Wände mussten Putz-technisch repariert werden. Anschließend musste der Raum entsprechend den Vorgaben der Denkmalschutzbehörde farblich gestaltet werden, und ein für eine Werkstatt geeigneter Boden verlegt werden. Mit dem Abschluss dieser Arbeiten erfolgte das Abhängen von Gitterrinnen von der Decke und darauf aufbauend eine strategische Verkabelung des Raums entsprechend den Bedürfnissen der Werkstatt, den Maschinen und anderer Technik. Auch die Installation von geeigneten Lampen erfolgte am Gitterrinnensystem. Die Werkstatt wurde mit einem grossen Lagerregal ausgestattet, Werkstattwagen und bisher fehlendes Werkzeug angeschafft und alles entsprechend einsortiert und gelabelt. Entlang der Fensterfront wurde ein grosser Arbeitsbereich gebaut, sowie eine Insel in der Mitte des Raums geschaffen auf der Maschinen einen Platz finden konnten. An der Wand gegenüber der Fenster entstand mit Rigipsplatten, Magnet- und Whiteboard-Farbe ein 12qm grosses Whiteboard das als Notiz- und Skizzenzettel der Werkstatt dient. Mit dem Abschluss der Arbeiten in dem Raum wurde dieser eingerichtet: 3D-Drucker, Lasercutter, Schneideplotter, Transferpresse fanden dort ein zuhause, ebenso wie ein Rackkabinett für Server und andere Computertechnik, diverse Rollcontainer und Schränke. Ein stationärer Computerarbeitsplatz wurde eingerichtet.

Abschliessend wurde die Werkstatt um eine gebrauchte Couch ergänzt. Der Vorraum wurde ebenfalls in ähnlichem Umfang saniert und um ein sehr grosses Regal ergänzt. DIN-Boxen helfen dort und in der Werkstatt alles ordentlich und strukturiert zu halten. Die Arbeiten in diesem Bereich wurden, bis auf die Elektrik (Vermietersache) und eine komplexere Putzsache die externe Unterstützung erforderte, komplett ehrenamtlich gestemmt und zum allergrössten Teil gemeinsam mit jungen Menschen durchgeführt. Es ist uns wichtig den jungen Menschen aus der Region die die Werkstatt regelmässig nutzen (siehe unten), ein Gefühl von Ownership aber auch Verantwortung zu übertragen, ganz abseits von diversen Qualifizierungen die hier nebenbei erworben wurden. Ganz massgeblich die Abrissarbeiten von Putz und Wandverkleidung, sowie der Aufbau der Gitterrinnen und die Verkabelung des Raumes sind durch junge Menschen, in der Regel Grundschüler erfolgt. Ebenso die Inbetriebnahme diverser Maschinen und Werkzeuge. Die Werkstatt ist seit März komplett fertig und vollumfänglich in Betrieb, leider mit einigen Verzögerungen (siehe unten), aber immer noch sehr sportlich in der Zeit wie wir denken.

2.2 Wohnzimmer

Im Wohnzimmer wurden viele Schichten Tapete und Putz von den Wänden sowie Lackschichten von der Holzvertäfelung abgetragen um die darunterliegende Patina der Wand freizulegen. Die Decke sowie eine Leichtbauwand wurden gestrichen. Auch hier wurde die Elektrik komplett erneuert. Der Ausbau des Wohnzimmers ist seit Mitte Juni ebenfalls abgeschlossen. Es fehlt noch der Einbau von Steckdosen und Schaltern welcher sich aktuell etwas verzögert (siehe unten). Der Raum ist soweit eingeräumt, bis auf ein dringend benötigtes Bücherregal.

2.3 Küche

Die Küche musste komplett entkernt werden, die Elektrik saniert sowie Sanitäranschlüsse rundum erneuert werden. Elektrik und Sanitär sind prinzipiell Vermietersache, was allerdings Probleme macht (siehe unten). Die Wände der Küche wurden durch uns komplett neu verputzt, ein kleiner Bereich muss noch gefliest werden, und sobald die Arbeiten an der Elektrik abgeschlossen sind kann gemalert und anschliessend eingeräumt werden. Wir haben uns hier vom Vermieter unabhängig machen müssen und hoffen in den nächsten 2-3 Wochen mit dieser letzten Baustelle fertig zu sein.

2.4 Cafe

Die Räume für das Cafe wurden untervermietet, durch das Cafe-Team saniert und eingerichtet und der Cafe-Betrieb im Februar 2019 aufgenommen.

2.5 Halle

Die Halle, befreit von Maschinen, Werkzeugen und allgemeinem Chaos, erfreut sich nun reger Nutzung als Veranstaltungsort, vor allem auch im Kontext von Gruppen die zum Arbeiten und/oder Lernen zu uns in den Verstehbahnhof kommen.

3 Bisherige inhaltliche Arbeit

Der Verstehbahnhof wird seit 2017 bespielt durch einige freiwillige Helfer die sich um vornehmlich junge Menschen kümmern die hier a) ihre Freizeit verbringen, b) anreisen um dort Zeit zu verbringen, oder c) Urlaub in der Gegend machen und dabei vom Verstehbahnhof hören. Mit dem Ausbau der Räumlichkeiten bieten sich wesentlich mehr Möglichkeiten um mit (jungen) Menschen an Projekten oder Themen zu arbeiten, zu basteln und zu tüfteln. Dies liegt vor allem daran, dass es nun wesentlich mehr Platz gibt und dieser Platz die vorhandenen Maschinen et al besser zugänglich machen. Auch wurde beim Ausbau Wert gelegt auf die richtigen Tischhöhen und andere Parameter die es jungen Menschen erleichtern die Räumlichkeiten zu nutzen. Alle Maschinen die neu angeschafft wurden, wurden immer auch unter dem Aspekt der Bedienbarkeit für den Nachwuchs beleuchtet und tragen weiter dazu bei, dass die Werkstatt eine ordentliche Auslastung erfährt. An Montagen sowie Mittwochen stehen die Räumlichkeiten dem Nachwuchs aktuell offen. Nach der Schule versammelt sich in der Regel eine heterogene Gruppe aus zwischen 8 und 15 Mädchen und Jungen diverser Nationalitäten in der Werkstatt um an Projekten zu arbeiten, oder auch einfach mal nur Zeit zu verbringen. Hier wurden in den letzten Monaten diverse Projekte umgesetzt, von Lötworkshops über ein Projekt zur Beschilderung eines bestehenden städtischen Baumlehrpfads bis zu diversen Programmierprojekten oder der Gestaltung von Textilien. Im Fokus steht aktuell noch den Kindern und Jugendlichen die Bandbreite der Möglichkeiten die die Ausstattung der Werkstatt bietet aufzuzeigen und sie langsam aber sicher an die eigenständige Nutzung dieser Möglichkeiten heranzuführen.

Uber Kinder und Jugendliche aus der Region hinaus finden erste exterene Gruppen den Weg zu uns, auch aus anderen Bundesländern, die tagesweise oder für mehrere Tage anreisen, im Rahmen von Projekttagen oder -wochen, Wandertagen oder Urlaubsreisen. Wir stehen im Kontakt mit diversen Schulen aus der Region die gerne eine regelmässige Kooperation mit uns umsetzen möchten.

Seit Anfang 2019 ist der Verstehbahnhof ausserdem eines von zwei Jugend hackt-Labs. Am 13.7. veranstalten wir in diesem Zusammenhang den ersten Workshop. Hier wird es zweimal monatlich ein Wochenendangebot geben welches sich an Jugendliche zwischen 12 und 18 mit einer bestehenden Affinität zu Programmierung und verwandten Themen wendet.

4 Kurzfristige Zukunft des Projekts

Kurzfristig wird die Sanierung der Küche abgeschlossen werden müssen damit diese auch in Betrieb gehen kann. Durch die Nähe zum Cafe im Bahnhof können wir Cateringbedürfnisse bei der Arbeit mit Gruppen schon jetzt abdecken, eine Unabhängigkeit davon wird allerdings angestrebt, so dass zum Beispiel auch gemeinsam gekocht werden kann.

In Richtung des Herbsts und Winters bieten wir weitere Formate an in deren Kontext die Werkstatt genutzt werden kann. Das Reparaturcafe wird seinen ordentlichen Betrieb aufnehmen, ebenso wie eine Kinderuni mit monatlichen Vorlesungen. Wir konkurrieren aufgrund der Lage in der Mecklenburgischen Seenplatte aktuell stark mit dem guten Wetter und den Badeseen in der Umgebung, und haben den Start diverser Angebote auf eine günstigere Jahreszeit verschoben.

5 Gelernte Lektionen

Der bisherige Projektweg hat uns viele Lektionen beschert, uns glücklicherweise allerdings nicht vor unlösbare Probleme gestellt. Das grösste Problem stellt wohl das Verhältnis unseres Vermieters zu den Handwerkern aus der Umgebung dar. Unsere Baustelle wird kategorisch gemieden mittlerweile denn kaum jemand hat mehr Lust auf unseren Vermieter als Auftraggeber. Wir haben hier Glück im Unglück das zumindest die Gewerke von denen wir ganz hart abhängen (z.B. Elektrik) das nötigste auf unserer Baustelle machen aus Affinität für unser Projekt. Als Konsequenz müssen wir wesentlich mehr in Eigenarbeit leisten als ursprünglich geplant, wodurch sich einige Verzögerungen ergeben haben.

Abgesehen davon ist ein solcher Ausbau sehr lehrreich, alle Beteiligten haben sich einige neue Kompetenzen angeeignet, und wir sind extrem stolz auf das, was wir bisher erreicht haben. Es ist Licht am Ende des Tunnels, der Baustellenblues eine blasse Erinnerung geworden und in wenigen Wochen können wir uns ganz auf die inhaltliche Weiterentwicklung des Projekts konzentrieren.