Reparaturbiografien #1

12. Juni 2019 | von Bärbel Wolterstädt | Berlin
Neues

Für das Forschungsprojekt Repara/kul/tur haben die Bürgerforscher*innen mit dem Erzählkoffer gearbeitet, einer wissenschaftlichen Methode, die ursprünglich aus der Designforschung stammt. Die Koffer enthielten kleine Aufgaben zur Anregung. In diesem Kontext ist der folgende Text entstanden, in dem sich die Berlinerin Bärbel Wolterstädt mit ihrem persönlichen Zugang zu Handwerk und Reparatur auseinandersetzt:

"Ich bin Jahrgang 1948. Als ich klein war, gab es überall in Berlin (hier bin ich aufgewachsen) Werkstätten, Tischler, Schlosser, Schuhmacher, die etwas konnten. Tisch und Hocker für mich, als ich zur Schule kam, wurden beim Tischler bestellt, nach meiner Größe bemessen. Kleidung schneiderte eine Frau, die bei uns um die Ecke wohnte und Pullover strickte eine andere Frau. Man kannte sich, grüßte sich.

Aufgaben aus dem Erzählkoffer

In der Schule hatten wir ein Unterrichtsfach „Werken“ und ein Unterrichtsfach „Nadelarbeit“. Zu Hause wurde alles, was kaputtgegangen ist, entweder selber repariert oder zu einer Werkstatt gebracht. Da ich im Ostteil Berlins groß geworden bin, kam noch das Unterrichtsfach „Einführung in die Produktion“ dazu.

Mir hat das alles Spaß gemacht. Als es dann in der 9. Klasse hieß: „Ihr lernt jetzt einen Beruf“, war ich nicht traurig darüber. Ich wurde Fernmeldemechanikerin bei der Deutschen Post. Da der Beruf mir Spaß gemacht hat, habe ich auch Fernmeldetechnik studiert. Als ich vom Studium wieder nach Berlin kam, bekamen die ersten meiner Freunde eine eigene Wohnung. Wir sind reihum helfen gegangen. Da mittlerweile in der DDR Handwerker knapp waren (die Industrie zahlte besser), musste vieles selber gemacht werden. Wir haben damals auch Elektrogeräte, Radios und Fernseher repariert.

Heute kann man das kaum noch machen, da alles in integrierten Bauelementen steckt. Aber mechanische und elektrische Sachen lassen sich reparieren. Ich befürworte Repair-Cafés, da ich es schön finde, wenn mehr repariert wird und weniger auf dem Müll landet.

Ich befürworte auch, dass man Gegenstände so lange nutzt, wie sie in Ordnung sind und nicht immer das neueste Modell kauft. Mein Notebook ist 7, mein Mobiltelefon 5, meine Kaffeemaschine 16 Jahre alt. Das alles schützt die Umwelt und das finde ich gut so, denn wir haben nur eine Umwelt.

Ohne die Beschäftigung mit dem Koffer, hätte ich das alles nicht aufgeschrieben."

Bremse oder Lenker? Die Aufgabe "Das Fahrrad"

 

Repara/kul/tur ist ein inter- und transdisiziplinäres Verbundprojekt mit Partnern aus Forschung und Praxis. Der Verbund wird koordiniert durch das Zentrum Technik und Gesellschaft (ZTG) der TU Berlin. Verbundpartner aus der Praxis sind der Verbund Offener Werkstätten e.V. (VOW) gemeinsam mit der anstiftung und dem BUND Berlin. Als weiterer Verbundpartner aus der Forschung gestaltet das Institut für Sozialinnovation e.V. (ISInova) die Begleitforschung und Evaluation des bürgerwissenschaftlichen Prozesses.