Interview #2 - Thomas Mehwald von Made in Marzahn

06. Juli 2019 | von Barbara
explore

Wer steckt hinter den explore-Ideen? Und was passiert da eigentlich? #2 in unserer Reihe von Interviews mit unseren sieben explore-Förderprojekten. Diesmal mit Thomas Mehwald von Gangway e.V. Er möchte mit Made in Marzahn Jugendliche vor Ort mit digitalen Fertigungstechniken in Kontakt bringen.

Gangway gibt es seit 1990. Was macht Straßensozialarbeit aus?

Jugendlichen in öffentlichen Räumen begegnen. Sie aufsuchen, Angebote machen, zuhören, Probleme zuhause, in der Schule, in der Clique lösen helfen. Der „professionelle Freund“. Bei Interesse Projekte gemeinsam entwickeln, Reisen unternehmen.

Streetwork in Marzahn, wie funktioniert das?

Drei Mitarbeiter im Team vor Ort, mehrmals wöchentliche Rundgänge durch den Kiez (dabei Besuch markanter Plätze, an denen Jugendliche sich treffen: Einkaufszentren, Jugendcubs, Parks), Gruppenaktionen planen und durchführen, Einzelbetreuungen, Vernetzungstreffen.

Seit wann bist Du beim Team in Marzahn dabei? Hast Du bereits vorher als Streetworker gearbeitet?

Seit einem Jahr bei Gangway, vorher 2 Jahre Betreuer in einem Flüchtlingsheim, vorher Freelance Berater für Entwicklungshilfe, vorher 4 jahre Entwicklungshilfe in Neu Delhi.


So bin ich jeden Dienstag unterwegs. Lastenrad, Multitool, Gangway Schild (gelasert).

Was war der Impuls zur Gründung der Werkstatt bzw. für das Projekt?

Open source und digitale Herstellung sind seit 5 jahren für mich mein Beitrag hin zu fairer und nachhaltiger Wirtschaft (ich bin Diplom Ökonom). Das ist der Impuls: Wir sind in der Lage, Werkzeuge und Dinge, die wir brauchen gemeinsam und lokal herzustellen.

Es gibt ja schon seit längerem bei Euch eine Fahrradwerkstatt – sind die beiden Werkstätten räumlich aneinandergekoppelt? Seht ihr selbst die beiden Werkstätten als Einheit oder sind das autonome Orte?

Der Raum, den wir nutzen, ist der Lagerraum der Fahrradwerkstatt, die einzige Verbindung ist am Anfang. Aber es gibt da jetzt natürlich einige Gemeinsamkeiten, auch schon wegen der Werkzeuge, die schon da sind.  

Eure Werkstatt verfügt über ein Multitool, das CNC-Fräse, 3-D-Drucker und Lasercutter vereint. Was ist das Besondere an diesem Tool und wie bringst Du es zum Einsatz?

Im Kern ist es ein Mini Fab Lab. So etwas gibt es erst seit Kurzem. Die allermeisten Menschen haben nicht einmal einen 3D Drucker gesehen geschweige denn etwas damit gedruckt. Ich schleppe das Ding in Jugendclubs und demnächst in eine freie Schule („Street College“), drucke, fräse, laser, wie die Kids es wollen, lasse sie Werkzeugköpfe wechseln, Designs anfertigen. Einfach in Berührung mit der Technik kommen. Der nächste Schritt ist  dann Ermutigung eigener Projekte und selbstständige Durchführung.


Flexi Rex ist sehr beliebt, wir nehmen ihn auf unseren Rundgängen mit und verschenken ihn. Ein freies Design von thingiverse.

Ihr setzt eher auf digitale Technik statt auf klassisches Handwerk. Welches Potenzial siehst Du für die Jugendarbeit darin?

Das Digitale ist die aktuelle Lebenswelt der Jugend. Sie dort abholen, ihnen dort begegnen, so wie Streetwork eben läuft, das ist der Punkt. Zur Zeit läuft es oft so ab: guck ins Netz, such Dir was aus, wir drucken oder lasern es. Der nächste Schritt ist dann das eigene Design über CAD, oder eben analoge Techniken.  Besonders interessant finde ich und das ist der Kern der Hypothese: schnelles Prototypen. Lass uns hier und jetzt ein erstes Symbol für deinen Traum, das was dich zutiefst interessiert und antreibt, herstellen. Halt es in der Hand, entwickle es weiter, mach es groß, lebe damit, lebe davon.  Das ist, was ich darin sehe: den individuellen Traum wahr werden lassen, vom Subjektiven ins Objektive, vom Immateriellen ins Materielle. Das war so noch nie möglich. In einer größeren Werkstatt kann der Mensch dann größere Maschinen nutzen und vor allem Gemeinschaft erleben, der andere Kern der Offenen Werkstatt-Logik. Gemeinsamkeit und Kreativität - im freien Fluss.


Hier haben wir mit doodle3d gearbeitet, das Zeichungnen in 3D-Modelle überträgt. Genau das richtige für Charlotte und Max.

Was sind die Hauptaktivitäten, die durch die explore-Förderung möglich wurden?

Ganz klar die Anschaffung des Multitools.


Die meisten Leute haben noch nie einen 3D Drucker gesehen.  Manche noch nie davon gehört.

Welche Techniken/Handwerke würdest Du gerne noch in Eurer Werkstatt unterbringen oder als mobiles Angebot umsetzen?

Als nächsten wollen wir einen 3D-Scanner bauen. Und eine größere CNC-Fräse anschaffen/ bauen. Meine Idee: einerseits Made in Marzahn Werkstatt ausbauen, andererseits mehr Teams von Gangway oder anderen Trägern mit Multitools ausstatten, um die Mobilität zu nutzen und ein Einzugsgebiet für die feste Werkstatt zu schaffen. Und mein nächster Schritt ist das Lernen eines CAD-Programmes.

Kommst Du über die Werkstatt/den mobilen Einsatz des Multitools in regelmäßigen Kontakt mit den Jugendlichen? Kommen Jugendliche über einen längeren Zeitraum zu Euch in die Werkstatt?

Ich gehe hin zu den Jugendlichen. Ich glaube, daran scheitern eben auch die Maker Bewegung und offene Werkstätten oft: Man muss sich trauen, Fehler zu machen, sich auslachen zu lassen, wenn man mit der frechen Jugend konfrontiert ist. Deswegen scheint es wichtig, eben genau jemanden von „ihnen“ auch als Mitbetreiber der Werkstatt zu kriegen. Das dauert allerdings Zeit.

Dein Eindruck: Was macht das Umsetzen eigener Projekte/Ideen mit den Jugendlichen?

Das kann  ich so noch nicht sagen. Ich denke, wir sind in einer Beobachtungsphase, auf beiden Seiten. Ich lasse einfach Artefakte fallen und tauche regelmäßig auf. Irgendwann sind selbstgemachte Sachen vielleicht Normalität und das Selbermachen eben auch.

Welches Handwerk/DIY-Aktivität würdest Du persönlich gerne ausprobieren?

Schnitzen und Zeichnen

Was wünschst Du Dir für Made in Marzahn?

Dass es Routine wird, dort Werkzeuge herzustellen, mit denen im Kiez gearbeitet wird.

 

ist ein Projekt des Verbund Offener Werkstätten (VOW) e.V., gefördert durch die Drosos Stiftung in Kooperation mit der anstiftung.