Hamburg wird FabCity

07. August 2019 | von Thomas Redlich | Hamburg
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Die Freie und Hansestadt Hamburg hat sich als erste deutschsprachige Stadt dem internationalen Fab City Bündnis angeschlossen. Am 20. Juli 2019 haben Dr.-Ing. Tobias Redlich und Benedikt Seidel auf dem Fab City Summit im Rahmen des WeMakeTheCity Festivals in Amsterdam offiziell den Knopf gedrückt.

Fab Cities sind Städte die anstreben, mithilfe neuer Technologien und alternativer Fertigungsmethoden, den Anteil der innerstädtisch gefertigten physischen Produkte systematisch zu steigern. Damit macht Hamburg ein klares Statement - die Digitalisierung soll sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltig gestaltet werden. Die Entwicklung wird nicht mehr nur Tech-Konzernen überlassen, sondern durch ein Zusammenwirken von Vielen mitbestimmt. Diese Vision ist groß und die Initiative ist noch jung, aber der Anfang ist gemacht.

Den Start für das weltweite Fab City Netzwerk machte 2014 Barcelona in Kooperation mit dem MIT Center for Bits and Atoms, dem Institute for Advanced Architecture of Catalonia und der Fab Foundation. Mittlerweile haben sich 33 Städten dem Netzwerk angeschlossen, darunter Paris, Boston, Shenzhen, Seoul und Mexico City. Das Netzwerk dient dem Austausch von Erfahrungen und dem Teilen von Ressourcen. Ein wesentlicher Schritt wird es sein eine digitale Infrastruktur zu schaffen, mithilfe derer Produktionsdesigns geteilt und kollaborativ geschaffen werden können. Das Ziel ist es, das Produktdesign global und die Fertigung lokal zu vollziehen.

Voraussetzung für den Beitritt zum Bündnis ist ein Zusammenschluss verschiedener städtischer Akteure, die einen Beitrag zur Initiative leisten können und die Unterstützung der Wirtschaftsbehörde. In Hamburg haben sich knapp 30 Akteure aus den Bereichen Fabrikation, Bildung, Umwelt, Coding und Wirtschaftsförderung angeschlossen. Dazu gehören beispielsweise das Open Lab Hamburg, Fab Lab Fabulous St.Pauli, Precious Plastic, das Hofalab, Code für Hamburg, mehrere Reparatur-Initiativen oder die Hamburger Kreativgesellschaft. Gemeinsam mit der Wirtschaftsbehörde bilden die Akteure das Fab City Konsortium Hamburg. Derzeit berät dieses Konsortium über eine konkrete Strategie. Aller Voraussicht nach wird als Erstes eine Analyse der derzeitigen Situation erstellt, auf deren Grundlage anschließend ein Umsetzungsplan entwickelt wird, der auch einen Budgetbedarf aufzeigt. Mit diesen Zahlen soll dann um Finanzierung bei verschiedenen Quellen geworben werden.

Für die Strategie ist zunächst ein möglichst flächendeckender Zugang zu offenen Werkstätten grundlegend. Es gehört aber auch eine systematische Schulung und Ausbildung in digitalen Fertigungsmethoden, damit die physische Infrastruktur auch genutzt wird. Indem breite Teile der Bevölkerung befähigt werden, Technologie zu verstehen, zu verändern und zu schaffen, können sie vermehrt an der Wertschöpfung im digitalen Zeitalter partizipieren. Außerdem wird ein großes Innovationspotential geschaffen, aus dem sich die Erwartung ergibt, der sozio-technischen Entwicklung einen Impuls in Richtung Bürgernähe zu geben. Das ist eine andere Antwort der Stadt auf die Herausforderungen der digitalen Transformation, als es viele andere Städte tun, wo Digitalisierung der Stadt oft nur bedeutet große Aufträge an Tech-Konzerne zu vergeben, womit die Stadt mit Sensoren vollgestellt wird, deren Nutzen für die Bevölkerung fragwürdig sind.

Neben der langfristigen Entwicklung profitiert die Hamburger Bevölkerung kurzfristig, indem sie sich niedrigschwellig weiterbilden und vernetzen kann. Denn offene Werkstätten sind immer auch Orte an denen schnell viele neue Menschen kennengelernt und gemeinsam Kultur geschaffen wird. Es kann also von einem Gegenimpuls zur kapitalistisch bedingten Individualisierung gesprochen werden. Durch die sich verbreitenden technologischen Fertigkeiten und Kapazitäten wird es für produzierende Unternehmen attraktiver, sich in Hamburg anzusiedeln. Erfahrungsgemäß entwickeln sich zudem aus offenen Werkstätten heraus Prototypen, die für Unternehmensgründungen genutzt werden.

Die Beteiligung des Hamburger Umweltzentrums Gut Karlshöhe zeigt, dass sich mit dem Projekt Fab City auch Aspirationen für ökologische Nachhaltigkeit verbinden. Wenn zunächst der hohe Plastikverbrauch durch Filamente der 3D-Drucker in vielen Fab Labs bedacht wird, ist dies nicht gerade ein naheliegender Gedanke. Aber durch eine systematische Herangehensweise, entstehen mit dem Fab City Produktionsmodell Produkte, die modular und open source sind. Das heißt, sie können lokal repariert und bei geänderten Bedarfen angepasst werden. Dadurch wird der Ressourcenverbrauch gesenkt und eine Kreislaufwirtschaft befördert.

Es gibt also viele Hoffnungen, die sich aus dem Projekt Fab City Hamburg speisen. Die kommenden Jahre werden zeigen inwieweit diese sich erfüllen. In jedem Fall ist es aber eine Initiative, die verschiedene Akteure an einen Tisch bringt. Dass dies möglich ist, ist auch der Vorarbeit des Verbundes Offener Werkstätten zu verdanken, dem einige der Hamburger Akteure angehören. Es wird nun entscheidend sein, inwieweit es gelingt die Ressourcen der Akteure zu bündeln, um eine gemeinsame Strategie durchzusetzen. Wir sind gespannt.

Das interdisziplinär ausgerichtete Laboratorium für Fertigungstechnik (LaFT) verfügt über eine umfassende Expertise in der Koordination von Konsortien und Verbundprojekten und hat bereits zahlreiche nationale und internationale Projekte im Bereich Open Fabrication, Open Source Hardware und digitale Fertigungstechnologien geleitet. Darüber hinaus bilden Wissens- und Kooperationsmanagement in der vernetzten Wertschöpfung und partizipative Technologieentwicklung Bereiche, die am LaFT theoretisch erforscht und in Projekten praktisch umgesetzt werden. Ein aktuelles Beispiel hierfür ist das BMBF-Projekt www.makers-for-tunisia.org.