Be fair - repair!

05. Mai 2014 | von Barbara | München/Berlin
Neues

 Wie es funktioniert und wo ihr Hilfe für Euer Repair Café bekommt

Vor zwei Jahren berichteten wir von der Repair Café-Initiative der Amsterdamerin Martine Postma. Als Journalistin hatte sie sich mit Umwelt und Nachhaltigkeit befasst, daraus erwuchs die Idee zum ersten Repair Café: Laien und ehrenamtliche Experten reparieren gemeinsam defekte Geräte – ganz entspannt bei Kaffee und Kuchen. Gleich die erste Veranstaltung im Herbst 2009 war ein großer Erfolg, weitere Repair Cafés in Amsterdam und dem Rest der Niederlande folgten. Im Jahr darauf gründete Martine Postma die Stichting Repair Café, um Interessierte zu beraten und die Idee weiterzuverbreiten.

Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis; Foto: Repair Café Sasel/ Johannes Arlt

Inzwischen entstehen auch hierzulande an vielen Orten Reparatur-Initiativen. Dabei geht es längst nicht mehr nur um Elektrogeräte (auch wenn diese meist einen großen Prozentsatz darstellen), auch defekte oder beschädigte Möbel, Textilien oder Fahrräder werden bei den Treffen vor dem Müll gerettet. Die Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis hat eine Koordinierungsstelle eingerichtet, die Initiativen in Deutschland unterstützt. Hier bekommen Interessierte Informationen darüber, wie sie selbst ein Repair Café auf die Beine stellen können. Gegen eine Schutzgebühr können sie über die Seite repaircafe.de ein Startpaket beziehen, das neben einem Handbuch auch viele weitere Materialien wie Bilder, Hausordnung, Reparaturzettel, Vorlagen für Flyer, Poster und etliches mehr umfasst.


Foto: Stichting Repair Café Niederlande

Anfang dieses Jahres ist Linn Quante zum Team der Stiftung dazu gestoßen. Gemeinsam mit Tom Hansing berät sie AktivistInnen bei der Gründung und hilft bei der Vernetzung lokaler Gruppen. Linn ist begeistert von der Entwicklung, die das Konzept in den letzten Monaten genommen hat: Über achtzig Initiativen haben seit Beginn des Jahres Beratung eingeholt und die Möglichkeit genutzt, über die Webseite ihre Termine bekanntzugeben. Pro Woche melden sich durchschnittlich drei Gruppen, die ein eigenes Café starten wollen. „Wann kann man das Gerät wieder abholen?“, bekommen Linn und Tom auch mitunter zu hören – die Treffen sind aber keine kostenlose Alternative zum Elektroladen,  ohne eigenes Engagement läuft nichts.

Linn berät Initiativen bei der Gründung

Das Format trifft nicht nur in Offenen Werkstätten, die sich von je her auch dem Erhalt von Dingen verschrieben haben, auf großes Interesse. Bei der Koordinierungsstelle melden sich Kirchengemeinden und Kultureinrichtungen, von der Großveranstaltung bis zum kleinen Café im privaten Wohnzimmer ist alles dabei. Dabei bringen die meisten Initiatoren selbst nur geringe Technikkenntnisse mit. Sie wollen Alternativen zum Wegwerfwahn erproben, viele eint der Wunsch, einen Treffpunkt zu schaffen und ihre Umgebung aktiv mitzugestalten. Und das Konzept schafft, woran ehrgeizige Programme zum Miteinander der Generationen scheitern – bei Repair Cafés kommen ganz selbstverständlich Alt und Jung zusammen. Unter den ehrenamtlichen Fachleuten, ohne die kein Café auskommt, finden sich viele pensionierte Elektrotechniker und andere Handwerker, die ihr Wissen gern mit den BesucherInnen teilen. Menschen aller Altersgruppen treffen hier aufeinander, um gemeinsam nach Fehlern zu suchen, zu reparieren und voneinander zu lernen.

Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis; Foto: Repair Café Sasel/ Johannes Arlt

Dass sich so gezielt Ressourcen schonen und Strategien zum nachhaltigen Umgang mit alltäglichen Gebrauchsgütern entwickeln lassen, hat auf kommunaler Ebene inzwischen auch Eingang in die Politik gefunden. Die Bereitschaft in Städten und Gemeinden, Repair Cafés durch die Bereitstellung von Räumen und Fördermitteln zu unterstützen, wächst. Das Land Nordrhein-Westfalen diskutiert derzeit darüber, die Förderung von Reparatur-Veranstaltungen ab dem Sommer 2014 in den Klimaschutzplan aufzunehmen. Dr. Christian Kreiß, Autor des jüngst erschienen Buches „Geplanter Verschleiß“ schlägt sogar vor, Reparaturinitiativen mit Steuergeldern zu fördern.

Stiftungsgemeinschaft anstiftung & ertomis; Foto: Repair Café Sasel/ Johannes Arlt

Durch das Zusammenwirken von Fachleuten und Tüftlern kann der Ausstieg aus dem Kreislauf des Kaufens und Entsorgens auch ohne handwerkliche Vorkenntnisse und breites Technikverständnis gelingen. Viele Menschen sind von den Dingen des täglichen Gebrauchs so entfremdet, dass grundsätzliche Einsichten über ihre Funktionsweise fehlen. So liegt es tatsächlich oft am  sprichwörtlichen „lockeren Kabel“, nach dessen Montur der Toaster oder Fernseher wieder seinen Dienst tut. Weil wir es aber längst gewohnt sind, Dinge auszutauschen, die nicht mehr oder nicht wie gewünscht funktionieren, haben wir aufgehört, nach Lösungen zu suchen – dabei liegen die oft näher als gedacht. Beim Gespräch mit ehrenamtlichen Experten können auch unkundige Laien die vermeintlichen Wunder der Technik entmystifizieren und ihre Mechanismen kennenlernen. Das Ziel dabei ist nicht, dass jede/r nach dem Besuch eines Repair Cafés in der Lage ist, ein kaputtes Radio wieder zum Laufen zu bringen – die Veranstaltungen sollen und können kein Lehrgang sein. Wenn BesucherInnen allerdings mit der Erkenntnis nach Hause gehen, dass der Gang zum Elektromarkt nicht die einzige Lösung ist, wenn sie die Neugier gepackt hat, gemeinsam mit anderen herauszufinden, wo der Fehler liegt, nehmen sie schon eine ganze Menge mit.

Ach ja: Save the date - am 11.10.2014 findet in München das erste Vernetzungstreffen der bundesdeutschen Repair Café-Initiativen statt!

offener Veranstaltungskalender

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